Am 25.05.2020 wurde der Transient Name Server (TNS), der beim Weizman Institut in Israel geführt wird und bei dem alle plötzlichen Helligkeitsveränderungen registriert werden, über eine mögliche Supernova in NGC 5363 informiert. Das Ereignis erhielt die laufende Nummer AT2020leu. Das AT vorweg steht für ein Bekanntmachung eines möglichen Ereignisses. Wenn das Ereignis als Supernova bestätigt wurde, wird das AT durch ein SN ersetzt. Der Entdecker, ein Amateurastronom, beschrieb die Supernova als sehr hell (etwa 13 mag). Doch als ich die Koordinaten der Supernova, die der TNS angab, in Aladin prüfte, stieß ich auf einige Merkwürdigkeiten.
Die angegebenen Koordinaten bezeichneten eine Position etwa 8 Bogenminuten südöstlich von NGC 5363 fernab der Galaxie und auch weit von LEDA 49602 entfernt, der der Position nächstgelegenen Galaxie. Die Koordinaten markierten einen Punkt, an dem weder eine Galaxie sichtbar war, noch Ausläufer einer nahegelegenen Galaxie vermutet werden konnten. Der Punkt lag mitten im Nirgendwo. Ich habe keine Erklärung, woher diese Koordinaten stammen oder wie sie zustande gekommen sein könnten.
Ich prüfte als Nächstes die Entdeckungsmeldung und fand als Beschreibung, dass der Entdecker die Supernova etwa 6,6 Bogensekunden südwestlich des Kerns von NGC 5363 gefunden hatte. Das war eine ganz andere Position als diejenige, auf die die Koordinaten des TNS verwiesen.
Also startete ich die Aufnahme von NGC 5363. Diese helle Supernova wollte ich trotz des Mondlichts (ein Tag vor dem ersten Viertel) haben! Als das erste Bild von der Kamera am Computer eintraf, war in der Tat ein heller Stern knapp neben dem Galaxienkern zu sehen, der gut und gerne eine Supernova sein konnte. Aber Stopp! Ich erkannte das Bildfeld und entdeckte, dass ich bereits in 2018 diese Galaxiengruppe mit derselben Optik und derselben Kamera aufgenommen hatte (damals ohne störendes Mondlicht). Der helle Stern war bereits auf der alten Aufnahme sichtbar und war ein Vordergrundstern unserer Milchstraße, der leicht für eine Supernova gehalten werden konnte. Nach dieser Erkenntnis stoppte ich die Aufnahme nach einer guten halben Stunde. Für den Nachweis der Fehlidentifikation reichte sie.
Der Entdecker hatte berichtet, dass er die Helligkeit der vermeintlichen Supernova durch den Vergleich ihrer Helligkeit mit der von nahen Sternen mit Hilfe des DSS und WIKISKY ermittelt hatte. Wieso hat er den Vordergrundstern nicht bemerkt, als er seine Aufnahme mit denen von Himmelsdurchmusterungen verglich? Ich kann es nur vermuten. Der Stern ist so nahe des Kerns, dass er auf den Fotoplatten des POSS I und POSS II (letzterer war die Basis für den DSS) nicht sichtbar war, weil das Galaxienzentrum ausgebrannt war und als großer heller Fleck den Stern mit abdeckte. Die Bilder von neueren Durchmusterungen mittels CCD-Aufnahmen wie dem SDSS zeigen den Stern, allerdings mit einer ähnlichen Helligkeit und Farbe wie den Galaxienkern. Man muss schon sehr genau hinsehen, um den Stern zu entdecken. Wenn man von seiner Existenz nichts weiß, kann man ihn leicht übersehen. Dummerweise gibt es noch mehr Galaxien, die solche Fallen bieten.
Der Entdecker hatte sogar eine zweite Aufnahme am Folgetag gemacht, die die vermeintliche Supernova bestätigte, bevor er die Entdeckungsmeldung an den TNS schickte. Leichtfertigkeit kann man ihm also keineswegs unterstellen. Naja, es kam, wie es kommen musste: Die Galaxie stand günstig am Himmel, und so dauerte es nicht lange, bis am 04.06.2020 der nächste "Entdecker" auf den kernnahen Stern hereinfiel (AT2020lrn). Dieses Mal hatte der TNS aber bessere Vergleichsbilder im Angebot, die den Stern eindeutig zeigten.
Die Bezeichnungen der helleren Objekte werden auf der Aufnahme aus 2018 (weiter unten) eingeblendet.
Datum: 29.05.20, 23:59h MEZ
Optik: f=750mm f/5,4
Nachführung: TVGuider mit Watec 120N an 90mm f/5,6
Gesamtbelichtungszeit: 36 min (Einzelbilder: 180 Sekunden)
Kamera: Atik 460EX
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