NGC 5874 und NGC 5876 mit SN2024igg im Bootes

Ganz im Norden des Sternbilds Bootes knapp unterhalb der Grenze zum Sternbild Drache leuchten die beiden Spiralgalaxien NGC 5874 und NGC 5876. Auch das Umfeld ist recht nett mit helleren Galaxien besetzt. Daher wundert es mich, dass ich dieses Bildfeld noch nicht früher aufgenommen habe. Aber so war es die Supernova SN2024igg, die am 07.05.2024 von einem amerikanischen Supernovasuchprogramm entdeckt wurde, die mich in diese Gegend führte. SN2024igg leuchtete nahe des Kerns der Galaxie NGC 5876 auf und war vom Typ Ia-SC. Supernovae vom Typ Ia sind Weiße Zwerge, die in einem engen Doppelsternsystem in einer thermonuklearen Explosion ihre gesamte Masse in Energie umwandeln. Normalerweise passiert das, wenn die Weißen Zwerge etwa die 1,4-fache Sonnenmasse erreicht haben, nachdem von ihrem Partnerstern kontinuierlich Masse herübergeströmt ist. Dann passen bei der genannten Masse die Bedingungen, dass der Wasserstoff auf der Oberfläche plötzlich die Kernfusion startet, deren Fusionsfront explosionsartig durch den Stern läuft und auch dort die Fusion schwererer Elemente startet.

Der junge indische Student Subramanyan Chandrasekhar hatte 1930 auf der Schiffspassage von Indien nach England, wo er in Cambridge weiterstudieren wollte, mal ausgerechnet, wie schwer ein Weißer Zwerg werden könne. Dabei stellte er fest, dass es eine Obergrenze für die Masse bei etwa 1,4 Sonnenmassen gab, weil der Weiße Zwerg dann schlagartig instabil wird und explodiert. Und es belibt außer Strahlung kein Rest übrig. Es dauerte eine Weile, bis alle etablierten Wissenschaftler diese, zum Teil nicht in ihr Weltbild passsende Erkenntnis akzeptierten. Auf der anderen Seite konnte man mit diesem Wissen und Einsteins Formel E = mc² aus der scheinbaren Helligkeit einer Typ-Ia-Supernova auf die Entfernung der Galaxie schließen. Und das bis in große Entfernungen, weil die Supernovae in hunderte Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien entdeckt wurden. Mit der Zeit fand man aber Unterschiede im Spektrum und der absoluten Helligkeit einiger Supernovae. So gab es einige, die unterdurchschnittlich hell waren, und andere waren signifikant heller. Zu letzteren zählt der Typ Ia-SC, wobei SC für "Super Chandrasekhar" steht und eine größere Energiefreisetzung (=Helligkeit) beschreibt.

Der reguläre Typ Ia hat einen Anteil von über 60% an allen Typ-Ia-Supernovae. Der hellere Untertyp Ia-91T (benannt nach SN1991T) hat einen Anteil im zweistelligen Prozentbereich. Supernovae vom Typ Ia-SC sind dagegen sehr selten. Es gibt bis heute keine zweifelsfreie Erklärung für diesen Typ Supernovae. Die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge mit zusammen mehr als 1,4 Sonnenmassen wird favorisiert, aber die bisher entwickelten Modelle dafür können noch nicht alle Beobachtungen erklären.

Zwei Wochen nach ihrer Entdeckung erreichte SN2024igg ihre maximale Helligkeit von 14,4 mag, um danach an Glanz einzubüßen. Als ich einen Monat nach der Entdeckung SN2024igg ablichten konnte, war ihre Helligkeit leicht auf 15 mag gefallen. NGC 5876 ist eine Balkenspirale in einer Entfernung von 145 Millionen Lichtjahren, wenn man die Rotverschiebung zugrunde legt, bzw. 215 Millionen Lichtjahren, wenn man die weithin akzepierte, empirische Methode nach Tully und Fisher benutzt. Wenn man annimmt, dass NGC 5876 mit NGC 5874 (außerhalb des oben gezeigten Ausschnitts) eine Gruppe bildet, dann sollte die Entfernung beider Galaxien bei ungefähr 150 Millionen Lichtjahren liegen. Für NGC 5874 wird eine Entfernung von 142 Millionen Lichtjahren aus der Rotverschiebung und von 162 Millionen Lichtjahren nach Tully Fisher abgeleitet. Allerdings haben dieselben Autoren, die bei NGC 5876 die mehr als 200 Millionen Lichtjahre ermittelt haben, auch bei NGC 5874 gleich hohe Werte ermittelt. Es ist bei der Methode nach Tully-Fisher bisweilen auffällig, dass verschiedene Autoren sehr unterschiedliche Ergebnisse erhalten, die um 100% differieren können, und das selbst bei gleichen Werten für die Hubblekonstante, die in die Berechnungen einflossen.

Beim Klick ins Bild oder hier erscheint das gesamte Bildfeld mit den Katalogbezeichnungen der hellsten Galaxien.

Datum: 06.06.24, 00:27h MESZ

Optik: f=750mm f/5,4

Nachführung: TVGuider mit Watec 120N an 90mm f/5,6

Gesamtbelichtungszeit: 63 min (Einzelbilder: 240 Sekunden)

Kamera: Atik 460EX

 

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