NGC 6223, UGC 10517, UGC 10522 und UGC 10542 im Drachen

Eine Supernova, SN2021bls, hat mich zu NGC 6223 geführt. Sie wurde am 01.02.2021 bei einer Helligkeit von 17,3 mag entdeckt und war vom Typ Ia. Fast 4 Monate später wollte ich mein Glück versuchen. Die Supernova war in den äußert lichtschwachen Randbereichen der Galaxie explodiert. So hoffte ich trotz der langen Zeitspanne seit ihres Erscheinens, sie noch so eben nachweisen zu können. Aber bereits nach wenigen Aufnahmen war klar, dass ich an der betreffenden Stelle nichts detektieren konnte. Eine Recherche ergab, dass die Helligkeit bereits im April auf 20,5 mag abgefallen war. Da war für mich nichts mehr zu machen, und ich brach die Aufnahme nach einer guten halben Stunde ab.

Es stellte sich dann heraus, dass das Bildfeld gar nicht so unattraktiv war. Zum einen war da die Galaxie NGC 6223 in einer Entfernung von 250 Millionen Lichtjahren. Sie hat ein extrem helles Zentrum und keinen stetigen Lichtabfall zu ihren Rändern hin, sondern eine helle etwa in Ost-West-Richtung elongierte zentrale Scheibe, an die sich wesentlich lichtschwächere Außenbereiche anschließen. Das kenne ich eher von Balkenspiralen als von Scheibengalaxien des Typs S0. Die auf dem DSS erkennbare maximale Ausdehnung von 2,5 Bogenminuten entspricht einer wahren Größe von 180.000 Lichtjahren.

Ein paar Galaxien aus dem UGC-Katalog fanden ebenfalls Platz im Bild. UGC 10517, UGC 10522 und UGC 10542 befinden sich in ähnlichen Entfernungen und bilden wohl eine physische Gruppe um NGC 6223 herum. Besaonders UGC 10542 hat es mir angetan, weil ich trotz der Entfernung das Staubband vor ihrer Scheibe sichtbar machen konnte. Von den Galaxien aus dem LEDA-Katalog und den teilweise recht hellen PGC-Galaxien gibt es keine näheren Angaben. Typisch für die recht hohe Breite (Deklination) von über 60° ist die recht hohe Zahl an hellen namenlosen Galaxien.

Beim Klick aufs Bild oder hier erscheint das Bildfeld in voller Auflösung und mit Angabe der Katalognamen der hellsten Galaxien.

Datum: 30.05.21, 00:49h MESZ

Optik: f=750mm f/5,4

Nachführung: TVGuider mit Watec 120N an 90mm f/5,6

Gesamtbelichtungszeit: 39 min (Einzelbilder: 180 Sekunden)

Kamera: Atik 460EX

 

Auf meiner Aufnahme sah es so aus, als ob sich links neben dem Galaxienkern ein Vordergrundstern befände. Um die Situation näher zu untersuchen, habe ich den Kernbereich von NGC 6223 geschärft und sah zu meinem Erstaunen zwei Sterne nahe beieinander. Der Vergleich mit der Aufnahme aus der PANSTARRS Himmelsdurchmusterung zeigte, dass es offenbar nur einen Stern links neben dem Galaxienkern gab. Das zweite Objekt war zwar hell, aber diffus und rötlich. Ich habe daraufhin die PANSTARRS-Aufnahme in die Einzelkanäle R=i-Band (Nahinfrarot), G=r-Band und B=g-Band. Die Filterbezeichnungen beziehen sich auf das Filtersystem des SDSS.

Im Nahinfraroten ist der gesamte Bereich um den Kern und links von ihm sehr hell und undifferenziert. Im r-Band ist der Stern deutlich und auch eine diffuse leicht flächige Aufhellung links davon zu sehen, mein zweiter "Stern". Im G-Band ist die Situation noch etwas deutlicher erkennbar. Fast scheint es, als ob sich auch rechts vom Stern eine Aufhellung befände. In der Fachliteratur habe ich dazu nichts gefunden. Die Galaxie NGC 6223 ist zwar in dem Projekt MASSIVE als eine von über hundert Scheibengalaxien nach verschiedenen Gesichtspunkten untersucht worden, doch hat man bei ihr nichts sonderlich Auffälliges entdecken können, außer dass die Rotationsachse der Galaxie um einen Winkel von 23° gegenüber der Längsachse der hellen inneren Galaxienscheibe gedreht ist und die Galaxie relativ schnell rotiert.

Die Aufnahme der 2MASS-Durchmusterung bei Wellenlängen um 2 µm zeigte ebenfalls einen undifferenzierten sehr hellen Bereich um den Kern, genau wie die Aufnahme im i-Band von PANSTARRS. Es muss dort also sehr viel sehr warmen Staub geben, der diese Infrarotstrahlung emittiert. Das könnte mit einer hohen Sternbildungsrate massiver Sterne einhergehen. Die aufgeheizte Akkretionsscheibe des zentralen Schwarzen Lochs wäre nicht so groß. Warum ist der hellste Bereich ausgerechnet links vom Stern, also in der maximalen Entfernung zum Galaxienkern angeordnet? Handelt es sich dabei vielleicht um ein gigantisches Sternentstehungsgebiet und ist der Stern vielleicht gar kein Stern, sondern der Kern einer kleinen Galaxie, die gerade mit NGC 6223 verschmilzt, und wird dadurch die ganze Wärmestrahlung emittiert? In 2020 stellte eine Gruppe von Astronomen den Antrag, mit dem Hubble Space Telescope Aufnahmen von NGC 6223 zu machen. Sie wollten nach Kugelsternhaufen um diese Galaxie suchen. Ich weiß nicht (Stand: Juni 2021), ob dem Antrag stattgegeben wurde und was auf den eventuell erzielten Aufnahmen vom Kern sichtbar ist, oder ob der wegen der Suche nach vergleichsweise lichtschwachen Kugelsternhaufen sogar völlig überbelichtet ist.

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