Meteore

Ich hatte Gelegenheit, den Meteorschauer der Leoniden am 18./19.11.2001 in Südkorea beobachten zu dürfen.

Irgendwann im Frühjahr 2001 hatte ich gelesen, daß im November ein Meteorsturm der Leoniden, deren Urheber der Komet Tempel-Tuttle ist, erwartet wird. Computermodelle, die mit Hilfe der Leoniden im Jahr 2000 optimiert worden waren, sagten das Maximum für den 18. November 2001 um 18.00h Weltzeit voraus. Das ganze Schauspiel sollte nur ca. 2 Stunden dauern. Deswegen gab es auch nur eine eng begrenzte Region auf der Erde, von der die Sternschnuppen optimal beobachtet werden konnten. Diese Region umfaßte Korea, Japan und Teile Australiens.

Nun ergab es sich, daß ich im November eine Dienstreise nach Korea antreten mußte. Zu meinem großen Glück war die Nacht vom 18. auf den 19. November enthalten, denn der 18. November 18h Weltzeit war der 19. November 3h lokale Zeit in Korea. Ich hatte gehofft, daß unser koreanische Geschäftspartner mich auf diesem Trip aus der Lichtglocke von Seoul heraus begleiten würde, doch hatte er aus familären Gründen keine Zeit. Also mußte ich auf eigene Faust einen geeigneten Beobachtungsplatz und Reisemöglichkeiten finden und nutzen. Dies gelang auch mit Hilfe des Hotelpersonals. Das Ziel war die größte koreanische Privatsternwarte, das Sejong Observatorium nahe Yeoju, etwa anderthalb Stunden mit dem Autobus von Seoul entfernt. Dort hatte man anläßlich der Leonidennacht ein kleines Programm für die Besucher vorbereitet. Über 100 Interessierte waren teils mit Kind und Kegel gekommen. Trotz gegenteiliger Wettervorhersagen auf der Internetseite von Yahoo war der Himmel glücklicherweise wolkenfrei und klar. Und auch der Mond spielte mit und ging rechtzeitig unter.

Gegen 2 Uhr wurde die Außenbeleuchtung ausgeschaltet. Die meisten Besucher lagerten sich warm angezogen in Daunenschlafsäcken auf Isomatten oder Styroporplatten, um das Spektakel auf dem Rücken liegend genießen zu können. Ich baute dagegen zwei Stative mit Kameras mit Weitwinkelobjektiven auf. Mein Ziel war, die Meteore vor dem Hintergrund möglichst punktförmiger Sterne zu fotografieren. Strichspuraufnahmen, die von Leonidenspuren gekreuzt wurden, waren nicht nach meinem Geschmack. Eine nachführbare Montierung hatte keinen Platz im Reisegepäck. Deswegen beschränkte ich mich auf 40 Sekunden Belichtungszeit und machte nur wenige Aufnahmen, die 3 Minuten belichtet waren.

Um 2 Uhr war der Radiant noch nicht über die Baumwipfel gekommen. Einzelne helle Meteore zogen lange Bahnen in Richtung Großer Hund und Orion. Orion wäre der ideale Hintergrund gewesen, doch die meisten Meteore verglühten im Großen Hund. Alle paar Sekunden zog ein heller Meteor über den Himmel oder glühte in Horizontnähe kurz auf. Überhaupt waren die meisten Meteore in Horizontnähe zu sehen und so gut wie nie im Zenit.

Komposit aus 4 Aufnahmen à 40 sec. innerhalb von etwa 30 Minuten. Die fotografierten Meteore wurden in ein Bild montiert an jeweils der Stelle, an der sie am Himmel verglühten. Datum: 19.11.2001, Zeit: gegen 2:30h, Brennweite: 28 mm, Film: Fujicolor 1600.

Komposit aus 5 aufeinanderfolgenden Aufnahmen à 40 sec. innerhalb von 5 Minuten. Die fotografierten Meteore wurden in ein Bild montiert an jeweils der Stelle, an der sie am Himmel verglühten. Datum: 19.11.2001, Zeit: gegen 3h, Brennweite: 28 mm, Film: Fujicolor 1600.

Die anwesenden Besucher begrüßten zunächst jeden Meteor mit großem Hallo. Da ich hauptsächlich in Südrichtung, d.h. zum Großen Hund, blickte, sah ich nicht immer die Meteore, denen die Rufe meiner Mitbeobachter galten. Man macht sich ja gar kein Bild, wie wenig Himmel man trotz eines Weitwinkelobjektivs nur auf den Film bannen kann. Soweit ich es beobachten konnte, erschienen die meisten Meteore am Südhimmel oder in Zenitnähe. Im Norden war kaum etwas los.

Komposit aus 6 z.T. aufeinanderfolgenden Aufnahmen à 40 sec. innerhalb von 10 Minuten. Die fotografierten Meteore wurden in ein Bild montiert an jeweils der Stelle, an der sie am Himmel verglühten. Datum: 19.11.2001, Zeit: kurz nach 3h, Brennweite: 28 mm, Film: Fujicolor 1600.

Mit der Zeit reckte der Löwe im Osten seinen Kopf über die Bäume. Mit ihm stieg auch der Radiant höher. Jatzt sah man rund um den Löwenkopf viele z.T. nicht sehr helle Meteore aufblitzen. Kurz nach 3 Uhr erschienen die Meteore mit wenigen Sekunden Abstand, manchmal in Gruppen von zweien oder dreien. Und immer wieder zogen helle Meteore ihre lange Bahn Richtung Süden oder Westen. Eine ganze Reihe von ihnen konnte ich auf meinen Fotos festhalten, aber immer wieder passierte es, daß besonders helle neben meinem Bildfeld auftauchten. So probierte ich mit der einen Kamera mein Glück in verschiedenen Sternbildern, immer in der Hoffnung, daß gerade während der Belichtung ein besonders heller Meteor durchs Bildfeld rast. Leider erfüllte sich dieser Wunsch nicht immer. Nur ein Drittel der Aufnahmen zeigt Meteore.

Selten verglühten gleich zwei helle Meteore im Gesichtsfeld meiner Kameras. Gerade bei den helleren Meteoren ist auch schön das Farbspiel der Leuchtspur zu sehen. Die unterschiedlichen Farben kommen nicht etwa durch Lichbrechung, sondern durch die verschiedenen zum Leuchten angeregten Luftmoleküle zustande. Die nachfolgende Aufnahme zeigt dafür ein Beispiel.

Einzelaufnahme à 3 min. Datum: 19.11.2001, Zeit: gegen 3:30h, Brennweite: 28 mm, Film: Fujicolor 1600.

Leider passierte mir bei einer Aufnahme eines sehr hellen Meteors, der dazu auch noch sehr fotogen vor dem Hintergrund des Sternbilds Orion verglühte, ein Mißgeschick. Ich bin offensichtlich an die Kamera oder das Stativ gestoßen. Daher ist das Bild mit Doppelsternen übersät.

Einzelaufnahme à 40 sec. Datum: 19.11.2001, Zeit: gegen 3:30h, Brennweite: 28 mm, Film: Fujicolor 1600.

Mit fortschreitender Zeit verließen immer mehr Koreaner den Beobachtungsplatz, teils, weil es ihnen kalt war (die Temperaturen lagen unter dem Gefrierpunkt), teils, weil sie ein paar Stunden später wieder arbeiten mußten. Kurz vor 4 Uhr morgens war ich fast allein auf weiter Flur. Die Meteoraktivität hatte nachgelassen, die Zehen waren kalt, und so packte ich meine Sachen zusammen. Ich hatte 2 Negativ- und einen Diafilm "voll". Diese Nacht werde ich so schnell nicht vergessen. Und solch ein Leonidenschauer ist auch zu meinen Lebzeiten nicht mehr zu erwarten, wenn die Computermodelle recht behalten.

Durch einen glücklichen Zufall bot sich mir noch eine Mitfahrgelegenheit zurück zu meinem Hotel in Seoul, so daß ich früher als geplant ankam und sogar noch gut ausschlafen konnte, bevor am Nachmittag der erste Kundenbesuch anstand.

Für mich war es eine recht spannende Angelegenheit, ganz allein in einem Land, dessen Sprache ich weder spreche, noch dessen Schrift ich lesen kann, mit U-Bahn, Bus und Taxi von A nach B zu kommen. Beim Kauf der U-Bahn und Busfahrkarten mußte ich mich mehr oder weniger mit Händen und Füßen verständigen, denn mit Englisch kommt man leider nur sehr beschränkt weiter, da viele Koreaner Probleme haben, Englisch zu verstehen, oder sich nicht trauen, Englisch zu sprechen. Da ist man immer wieder dankbar, wenn sich dann hier und da doch jemand findet, der Englisch spricht. Ich hatte das Glück bei diesem Ausflug dreimal, das erste Mal am Busbahnhof in Yeoju, als mir eine junge Frau half, die Abfahrtszeit des ersten Busses zurück nach Seoul in Erfahrung zu bringen, das zweite Mal am Sejong Observatorium, wo ich einen pensionierten Ingenieur traf, der sogar schon in Deutschland war, und das letzte Mal, als ich das junge Paar traf, das genauso lange wie ich ausgeharrt hatte und mich mit nach Seoul nahm.

Ich war der einzige Ausländer, der zur Leonidenbeobachtung zum Sejong Observatorium gekommen war. Als ein Vater, der mit seiner fast erwachsenen Tochter da war, hörte (der pensionierte Ingenieur dolmetschte), daß ich aus Deutschland kam, bat er mich, daß ich seiner Tochter, die Gesang studierte, den Liedtext eines Liedes von Schubert ("Morgengruß") vorzulesen, damit sie mal die richtige Aussprache hörte. Das habe ich natürlich gern gemacht. Überhaupt sind die Koreaner sehr freundliche Leute und auch ausgesprochen freundlich und hilfsbereit zu Ausländern. Wären da nicht manchmal die Sprachprobleme.