Standalone-Autoguider TVGuider

Seitdem ich die Atik CCD-Kamera habe und Aufnahmen mit Belichtungszeiten jenseits der 10 Sekunden-Grenze der Watec 120N machen kann, benutzte ich den TVGuider als Autoguider. Dieses kleine "Zauberkästchen" (im Bild unten links vor dem Notebook liegend) wird mit dem Videosignal der Watec-Kamera versorgt und hält einen ausgewählten Stern während der Belichtungszeit exakt an derselben Position. Abweichungen der Sternposition von der Sollposition durch mechanische Unzulänglichkeiten der Montierung, Refraktion oder vielleicht einen Windstoß werden durch gegensteuernde Korrekturimpulse an die Montierung kompensiert. Als Folge bleiben die Sterne auch bei mehrstündigen Belichtungen schön rund, wobei eine dafür ausreichend genaue Einnordung der Polachse (sonst tritt der Effekt der Bildfeldrotation auf) und keine Verbiegung etc. des Leitrohrs zur Aufnahmeoptik (sonst tritt eine lineare Bildfeldverschiebung auf) vorausgesetzt wird.

Lange hatte ich nach einem Autoguider gesucht, der verschiedene Merkmale vereinen sollte:
1. Eingangssignal ist analoges Videosignal einer Videokamera
2. autarker Betrieb ohne PC
3. Leitstern auf Videodisplay beliebig auswählbar
4. Nachführung auf Sterne und Asteroiden oder Kometenkerne
5. Subpixelgenauigkeit
6. 12V Spannungsversorgung
7. unkomplizierter Betrieb

Gerade der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen. Meine Vorstellung war: Einschalten, das Fadenkreuz auf den gewünschten Stern positionieren, das Autoguiden starten. Und genau das macht TVGuider, ohne Schnickschnack, ohne aufwendige Kalibrationen, dafür einfach und präzise.

Per Zufall bin ich im Internet auf ein australisches Forum gestoßen, in dem TVGuider erwähnt und in den höchsten Tönen gelobt wurde. Martin Myslivec, ein tschechischer Ingenieur und Astrofotograf, hat TVGuider entwickelt und baut ihn in Kleinserien für interessierte Hobbykollegen. Aus der Bedienungsanleitung war ersichtlich, daß TVGuider vom Leistungsumfang und von der Funktionsweise genau meinen Vorstellungen entsprach. Ich bestellte ein Exemplar und konnte es einige Monate später tatsächlich in den Händen halten. Die Wartezeit rührte daher, daß Martin immer wartet, bis er genügend Bestellungen zusammen hat, bevor er eine neue Kleinserie startet, und daß das Videodisplay nicht mehr lieferbar war, so daß Martin einen neuen Displaytyp und einen Lieferanten dafür ausfindig machen mußte. Daß ich eine nicht genau definierbare Zeit warten mußte, war mir vor der Bestellung bekannt.

TVGuider ist in einem Gehäuse, das normalerweise wohl für externe 3,5" Festplatten benutzt wird, eingebaut. Alle Öffnungen sind sehr präzise ausgeschnitten und die Beschriftungen im Siebdruckverfahren hergestellt. Martin läßt die Gehäuse von Firmen herstellen, die auf derartige Arbeiten spezialisiert sind. Das Gerät macht insgesamt einen sehr hochwertigen und robusten Eindruck. Die großen Knöpfe habe einen deutlichen Druckpunkt, eine rote, schwachleuchtende Hintergrundbeleuchtung und sind problemlos auch mit Handschuhen zu bedienen. Die Anschlüsse für 12V, das Videosignal und den Autoguiderausgang befinden sich alle auf der Vorderseite. Zusätzlich befinden sich dort noch Anschlüsse für einen externen TV-Monitor, eine serielle Schnittstelle und ein Kombianschluß für Videosignal und 12V-Stromversorgung für die Videokamera. Ein spezielles Kabel ist im Lieferumfang enthalten. Durch diese Alternativlösung reicht ein einziges Kabel zur Videokamera (siehe Abbildung oben rechts) statt zweier für das Videosignal und die Stromversorgung.

Die Inbetriebnahme von TVGuider ist denkbar einfach. Man braucht nur ein Mal zu Beginn die Parameter für die jeweilige Montierung und Videokamera festlegen. Wenn TVGuider benutzt werden soll, genügt es, die Videokamera so auszurichten, daß die Bewegung in RA parallel zur längeren Seite des Displays und die Bewegung in DEC parallel zur kürzeren Seite des Displays erfolgt, wobei eine Abweichung von einigen Graden tolerierbar sein soll. Anschließend braucht nur das Fadenkreuz mit den Richtungstasten auf den Leitstern bewegt und das Autoguiden gestartet werden. Vier rote Leuchtdioden zeigen an, wenn ein Korrekturbefehl für die jeweilige Richtung ausgelöst wird. TVGuider kann dabei sowohl ST4-kompatible Montierungen ansteuern als auch über die serielle Schnittstelle Korrekturbefehle gemäß dem LX200-Protokoll ausgeben. Die grüne Leuchtdiode inmitten der roten Richtungsanzeigen signalisiert, daß TVGuider einen Leitstern erkannt hat.

Die nebenstehende Abbildung ist dem Display von TVGuider nachempfunden. Die Parameter, die ich mit der Watec 120N am C5 bei einer Brennweite von 1250mm zur Steuerung der Losmandy G11-Montierung benutze, sind dargestellt.
RAT bestimmt die Aggressivität, mit der korrigiert wird.
AVG bestimmt die Anzahl Videobilder, die TVGuider intern mittelt, wobei TVGuider davon ausgeht, daß alle 1/25 Sekunde ein neues Videobild ansteht. In meinem Fall mittelt TVGuider über jeweils eine Sekunde, wobei die Watec alle 0,32 oder 0,64 Sekunden ein neues Bild schickt. Somit wird immer über mindestens zwei Bilder gemittelt. Die Watec integriert (=addiert) intern über 8 bzw. 16 Bilder und wird dadurch empfindlicher, während TVGuider nur (das Seeing) mittelt.
TOL bestimmt die maximale Abweichung, gemessen in Pixeln der Nachführkamera, ab der korrigiert wird. Der minimale Wert beträgt 0,1 Pixel.
LVL bestimmt die Helligkeitsschwelle, ab der Sterne als solche erkannt werden und unterhalb derer alle Signale als Rauschen interpretiert werden.
BOX bestimmt die Größe des Fadenkreuzes, d.h. den Bereich, in dem TVGuider einen Leitstern einfangen kann. Wenn der Leitstern z.B. durch eine Wolke verdeckt wird, beginnt TVGuider nicht etwa mit irgendwelchen Bewegungen nach dem Leitstern zu suchen, sondern korrigiert einfach nicht mehr. Befindet sich nach dem Durchzug der Wolke der Leitstern noch im Bereich der BOX, setzt TVGuider automatisch das Nachführen fort und zentriert den Leitstern wieder.
STAR zeigt die Helligkeit des erkannten Leitsterns an, wobei der Wert irgendwo zwischen 5 und 10 liegen sollte. Darunter wird das kontinuierliche Halten des Leitsterns unsicher, bei sehr hohen Werten wird die Bestimmung des Schwerpunkts mit der gewünschten Toleranz ungenau.
X= und Y= zeigen die Abweichungen des Leitsterns, gemessen in Pixeln der Nachführkamera, von der definierten Position an.
STOPPED zeigt den Status an. Wenn nachgeführt wird, erscheint stattdessen "RA only", "RA/DE" oder "RA+DE", je nachdem. ob nur in RA, in RA und DE zeitlich versetzt oder gleichzeitig Korrekturbefehle ausgegeben werden sollen.
RA rev. bestimmt, ob die Korrekturbefehle in RA in Laufrichtung (= dir.) oder entgegengesetzt (= rev.) ausgegeben werden sollen. Die richtige Einstellung für die jeweilige Montierung ist experimentell zu ermitteln.
DE dir. bestimmt die Richtung der Korrekturbefehle für DE.
BP off zeigt an, daß ich den Piepser bei Leitsternverlust mit Rücksicht auf die schlafenden Nachbarn abgestellt habe.

Das Display zeigt das gesamte Bild, das die Nachführkamera aufnimmt. Nachgeführt werden kann nur auf Sterne, die sich rechts des Textfelds befinden. Mit einer Belichtungszeit von 0,64 Sekunden und 125mm Öffnung bei f/10 kann ich bequem auf Sterne 11. Größe nachführen. Eine gute Nachführung ist dann erreicht, wenn TVGuider nur gelegentlich Korrekturbefehle ausgibt und nicht ständig hektisch in alle Richtungen korrigiert. Dann jagt man wahrscheinlich nur das Seeing. Fokussiert wird in Echtzeit mit dem Display als Kontrollmonitor.

 

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