Astrofotografie vom Fotostativ:
Berechnung der maximal möglichen Belichtungszeiten


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Zunächst berechnen wir die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation. Das ist der Winkel, um den sich die Sterne pro Zeiteinheit weiterzubewegen scheinen. Wir nehmen dazu den Sterntag zu genau 24 Stunden an. Streng genommen ist er etwa 4 Minuten kürzer, aber für unsere Berechnungen können wir den dadurch entstehenden Fehler getrost vernachlässigen.

1 Tag = 24 x 60 x 60 Sekunden = 86400 Sekunden

In dieser Zeit bewegen sich die Sterne um etwa 360° = 21600',
d.h. in 4 Sekunden bewegen sich die Sterne um etwa 1'.

Wir erhalten deshalb in jedem Fall Strichspuraufnahmen. Der Trick ist jetzt, die Striche nur so lang werden zu lassen, daß sie nicht auffallen, denn das Abbild eines Sterns auf dem Film ist zumindest bei den helleren ein dicker Fleck. Der Durchmesser solch eines Flecks entspricht mehreren Winkelminuten. Eine leichte Ovalität tolerieren wir. Ich habe meine Belichtungszeiten immer so gewählt, daß auf einem 18 x 24 cm großen Abzug die Strichspur gerade 1 mm lang ist.

Nun muß man die Bildfeldgröße seines Objektivs in Grad oder Bogenminuten wissen. Näherungswerte reichen aus. Nehmen wir ein Teleobjektiv mit 135 mm Brennweite, das ein Feld von 10° x 15° abbildet, dann entspricht die kurze Seite des Abzugs von 180 mm den 10° bzw. 600'. 1 mm entspricht dann 600'/180 = 3,3'. Dies ist der Winkel, um den sich der Himmel weiterdrehen darf, ohne daß das Sternbild länger als der von uns vorgegebene Toleranzbetrag von 1 mm wird. Aus der Multiplikation dieses Winkels mit der Zeit, die die Erde braucht, um sich um diesen Winkel weiterzudrehen, erhält man die maximal erlaubte Belichtungszeit.
In unserem Beispiel sind es 3,3 x 4 Sekunden = 13,3 Sekunden.

Dieser Betrag gilt nur für den Himmelsäquator, da dort die zurückgelegten Strecken (Bögen) am größten sind. In der Nähe der Pole legen die Sterne geringere Strecken pro Zeiteinheit zurück. Man darf dann länger belichten. Mathematisch gesehen muß man die Belichtungszeit durch den Cosinus des Deklinationswinkels d des Sternfelds, das man fotografiert, dividieren. Dabei sollte der Winkel des Bildfeldrandes genommen, der dem Himmelsäquator am nächsten ist. Die folgende Tabelle gibt die Cosinuswerte in 10°-Sprüngen an.

δ in °: 0 10 20 30 40 50 60 70 80
cos δ: 1 0,985 0,94 0,87 0,77 0,64 0,50 0,34 0,17

Die Cosinuswerte für negative Deklinationswinkel sind genauso groß wie die für positive Deklinationswinkel. Man erkennt unmittelbar, daß sich erst ab einer Deklination von 40° die möglichen Belichtungszeiten merklich verlängern.

Wählt man andere Randbedingungen als die unseres Beispiels, kann man sich allgemein merken:

Verdoppelt man die Brennweite des Objektives, halbiert sich die zulässige Belichtungszeit.

Verdoppelt man die Größe des Abzugs, halbiert sich die zulässige Belichtungszeit.

Halbiert man die Länge der Strichspur auf dem Abzug, halbiert sich die zulässige Belichtungszeit.

Allgemein gilt damit:

t = 324000 Sekunden x L / (f x cos δ x s)

t = maximale Belichtungszeit in Sekunden
L = maximale Strichspurlänge in mm auf der Vergrößerung (Fotoabzug)
f = Brennweite des Objektivs in mm
δ = Deklinationswinkel des Objekts
s = Länge der kurzen Seite des Fotoabzugs in mm

Damit ergeben sich folgende Tabellenwerte:

Brennweite
in mm
Bildfeld
in °
max. 0,5 mm Strichspurlänge
bei Vergrößerung auf (in cm)
max. 1 mm Strichspurlänge
bei Vergrößerung auf (in cm)
    9 x 13 18 x 24 24 x 36 40 x 60 9 x 13 18 x 24 24 x 36 40 x 60
 
28 50 x 75 66 33 22 17 130 65 44 34
50 27 x 40 36 18 12 9 72 36 24 18
100 13,5 x 20 18 9 6 4,5 36 18 12 9
135 10 x 15 13 6,5 4 3 26 13 8 6
200 6,8 x 10 9 4,5 3 2 18 9 6 4,5

Diese Tabelle gilt nur für Kleinbildkameras. Für Mittelformatkameras etc. kann die Tabelle bei bekannter Bildfeldgröße ebenfalls benutzt werden. Längere Brennweiten ergeben Belichtungszeiten, die in der Praxis zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen, da zwei negative Faktoren zusammenkommen: Erstens sinkt die maximal mögliche Belichtungszeit weiter und zweitens sind langbrennweitigere Objektive in der Regel auch lichtschwächer als kurzbrennweitige. Dadurch sinkt die erreichbare Grenzgröße doppelt.

Die folgende Tabelle gibt die Faktoren an, mit denen die obigen Zeiten in Abhängigkeit vom Deklinationswinkel multipliziert werden müssen.

Deklination des
äquatornäheren
Bildfeldrands in °
  Multiplikator
für maximale
Belichtungszeit
 
-40 bis +39   1
+40 bis +49   1,25
+50 bis +59   1,5
60 bis +69   2
70 bis +79   3
+80 bis +90   5,5

Jetzt interessiert natürlich, welche Grenzhelligkeiten erreichbar sind. Die maximal erreichbare Grenzgröße hängt von einer Reihe von Faktoren ab:

Öffnungsverhältnis des Objektivs (Blende) N
Filmempfindlichkeit ISO
spektrale Empfindlichkeit der Filmemulsion
Schwarzschildeffekt der Filmemulsion
Belichtungszeit t
Hintergrundhelligkeit

Nicht alle Faktoren lassen sich einfach bestimmen. Insbesondere entziehen sich die spektrale Empfindlichkeit der Filmemulsion und ihr Schwarzschildeffekt in der Regel unserer Kenntnis. Mit dem Schwarzschildeffekt bezeichnet man das Nachlassen der Filmempfindlichkeit mit zunehmender Belichtungszeit. Die anfangs noch proportional zur Belichtungszeit ansteigende Filmschwärzung läßt bei vielen Emulsionen bereits nach wenigen Sekunden merklich nach.

Die Beiträge, die eine hohe Filmempfindlichkeit, ein lichtstarkes Objektiv und eine lange Belichtungszeit zur erreichbaren Grenzgröße liefern, addieren sich in erster Näherung. Die nachfolgende Tabelle beruht auf meinen Erfahrungen und soll die maximale erreichbare Grenzgröße nur grob angeben. Etwaige Fehler werden als kleiner als +/- 0,5 Größenklassen geschätzt.

N 8 5,6 4 2,8 2 1,4
ASA 100 200 400 800 1600 3200
t (sec) 5 10 20 40 80 160
Beitrag 0 0,8 1,6 2,4 3,2 4

max. erreichbare Grenzgröße = 1,5 + Beitrag(N) + Beitrag(ASA) + Beitrag(t)

Beispiel 1: N=2, ASA=100, t=20 Sekunden ==> max. erreichbare Grenzgröße = 1,5 + 3,2 + 0 + 1,6 = 6,3 mag
Beispiel 2: N=2, ASA=3200, t=20 Sekunden ==> max. erreichbare Grenzgröße = 1,5 + 3,2 + 4 + 1,6 = 10,3 mag
Beispiel 3: N=4, ASA=100, t=20 Sekunden ==> max. erreichbare Grenzgröße = 1,5 + 1,6 + 0 + 1,6 = 4,7 mag
Beispiel 4: N=2, ASA=100, t=5 Sekunden ==> max. erreichbare Grenzgröße = 1,5 + 3,2 + 0 + 0 = 4,7 mag

In der Praxis wird man feststellen, daß bei sehr kurzen Belichtungszeiten doch etwas höhere Grenzgrößen erreichbar sind. Außerdem sind die meisten Filmemulsionen im roten Spektralbereich empfindlicher als im blauen, d.h. bei Sternen der Spektralklassen K und M erreicht man etwas größere Grenzgrößen als bei O- und B-Sternen. Bei flächigen Objekten wie Galaxien und Gasnebeln wird in Tabellenwerken meistens eine integrale Flächenhelligkeit angegeben, d.h. es wird so getan, als ob die über die gesamte Fläche verteilte Helligkeit in einem Punkt konzentriert wäre. Dadurch erscheinen flächenhafte Objekte auf den Fotos viel schwächer als man aufgrund der angegeben Helligkeit und der nach obiger Tabelle berechneten Grenzhelligkeit erwarten würde. Also nicht enttäuscht sein!

Mit Filmempfindlichkeiten unter 400 ASA erreicht man in der Praxis nur klägliche Resultate. Man erreicht kaum schwächere Sterne als man mit bloßem Auge sehen kann. Interessante Empfindlichkeiten wie 3200 ASA sind auf der anderen Seite aber schon recht grobkörnig, wie meine Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen. Durch den Trend zu Kompakt-Kameras mit lichtschwachen Zoom-Objektiven haben die Filmhersteller jedoch auch feinkörnigere Filme höherer Empfindlichkeit entwickelt. Davon können wir Astrofotografen profitieren. Es eignen sich jedoch nicht alle Filme für die Astrofotografie gleich gut. Konkrete Empfehlungen sind schwierig zu geben, da viele Emulsionen nicht lange auf dem Markt sind, und kaum daß man eine Emulsion als besonders gut geeignet für die Astrofotografie entdeckt hat, kann sie auch schon wieder vom Markt verschwunden und durch einen Nachfolger ersetzt worden sein, der für die Astrofotografie absolut ungeeignet ist.

Also bleibt uns nichts anderes übrig als zu probieren. Schreiben Sie mir ruhig Ihre Erfahrungen mit verschiedenen Filmmaterialien!

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