Reflexionsnebel bei NWISE-F J213723.5+665145 im Kepheus

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Was für eine kryptische Objektbezeichnung und was für eine tolle Story dahinter! Wer versucht, die Bezeichnung aus dem Titel in die Suchfelder der astronomischen Datenbanken Simbad oder NED einzugeben, wird nichts finden. Beide Datenbanken kennen das Objekt nicht. Es handelt sich dabei um einen sehr jungen Stern, der sich noch in der Entstehungsphase befindet. Visuell ist er nicht zu sehen, nur im Infraroten bei etwa 2 µm Wellenlänge und noch längeren Wellenlängen. Während der Sternentstehung kann es immer wieder zu Eruptionen, plötzlichen Massenverlusten kommen. Das ist vor ein paar Jahren auch NWISE-F J213723.5+665145 passiert. Und keiner hat es gemerkt. Die Himmelsüberwachungsprogramme, die heutzutage aktiv sind und den ganzen Himmel innerhalb weniger Tage immer wieder aufs Neue fotografieren, um z.B. für die Erde potenziell gefährliche Asteroiden aufzuspüren, waren wohl noch nicht aktiv oder deren Datenverarbeitung noch nicht so effizient.

Bei dem Ausbruch ist offenbar ein Nebel entstanden, der von dem in einer Staubwolke verborgenen Stern beleuchtet wird. Und wir haben Glück! Der Nebel reflektiert das nahinfrarote Licht des jungen Sterns und ganz schwach auch sein rotes Licht. Vier Astrofotografen der Sternfreunde Ostwestfalen-Lippe fotografierten von 2013 bis 2015 mit mehreren Teleskopen die offenen Sternhaufen NGC 7142 und NGC 7129 mit dessen Reflexionsnebeln und die Milchstraße nordwestlich davon mit ihren zahlreichen kleinen Dunkelnebeln. Insgesamt 51 Stunden Belichtungszeit flossen in dieses Bild ein. Es ist etwa um 45° gegenüber der Nordrichtung nach rechts gedreht. Ende November 2015 veröffentlichten sie das Ergebnis ihres Gemeinschaftsprojekts u.a. auf der Astrofotografie-Mailingliste der VdS. Ich war von der Tiefe und Auflösung der Aufnahme begeistert uns sah sie mir genau an. Da ich im Kepheus bereits einen anderen variablen Nebel verfolgte, sah ich mir insbesondere die Dunkelwolken an und entdeckte in einer C-förmigen Wolke am rechten Bildrand ungefähr auf halber Höhe des Bilds einen kleinen Nebel. Wäre der vielleicht auch ein interessantes Ziel für mich? Beim Vergleich der Region mit dem DSS und der infraroten Aufname des POSS II war von dem Nebelchen nichts zu sehen. Der musste neu sein!

In Dunkelwolken verbergen sich häufig junge Sterne, die es irgendwann schaffen, mit ihrem Strahlungsdruck das Gas und den Staub, aus dem sie sich gebildet hatten, in ihrer Umgebung wegzublasen und quasi ein Loch in die Außenhülle des Kokons zu schneiden, in dem sie entstanden sind. Dann sieht man die Ränder des trichterförmigen Lochs, die von dem Stern beleuchet werden. NGC 2261 (Hubbles Variabler Nebel) und PV Cephei sind zwei prominente Beispiele. Vor ein paar Jahren machte ein kleiner Nebel südlich von M 78 im Sternbild Orion Furore, den der amerikanische Amateur Jay McNeil 2004 entdeckt hatte und der inzwischen wieder unsichtbar ist.

Ich machte als Erstes die Bildautoren auf meine Entdeckung aufmerksam. Gemeinsam kontaktierten wir Lynne Hillenbrand, eine Astronomin am California Institute of Technology (Caltech), die kurz zuvor auf der BoHeTa in Bochum in einem Vortrag von Schweizer Amateuren Erwähnung fand, weil sie einen von den Schweizern entdeckten neuen Nebel bei NGC 1333 untersucht und bestätigt hatte. Lange hörten wir nichts von ihr, bis sie uns 2020 kontaktierte und fragte, ob sie das Foto für eine wissenschaftliche Veröffentlichung nutzen dürfe. Sie hatte auf unsere Entdeckungsmeldung hin bereits Ende Dezember 2015 mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii, mit 10 Metern Spiegeldurchmesser eines der größten Teleskope der Erde, auf das Nebelchen gehalten und im Infraroten Aufnahmen gemacht. Amateuraufnahmen aus 2012 zeigten den Nebel noch nicht. Er muss also etwa 2013 sichtbar geworden sein. Die Himmelsdurchmusterung mit dem PANSTARRS-Teleskop sind z.T. offenbar später entstanden und zeigen das Nebelchen bereits (siehe weiter unten). Die erste PANSTARRS-Durchmusterung wurde erst im Dezember 2016, also ein Jahr nach meiner Entdeckung, veröffentlicht. Lynne Hillenbrand hat die Untersuchungen und Ergebnisse auf ihrer Webseite dokumentiert.

Nun hatte ich einen Nebel entdeckt, aber noch keine eigene Aufnahme davon. 2020 sollte sich das ändern. Die Bedingungen waren gut, und ich belichtete die Gegend um den Nebel für gut 2 Stunden im Infraroten. Trotzdem waren die Nebel schwach und ich musste die Daten ganz schön strecken, um den Nebel sichtbar zu machen. Letztendlich gelang dies aber, und der Nebel war zu sehen. Interessanterweise ist auf meiner Aufnahme mehr sichtbar als auf der PANSTARRS-Aufnahme. Meine Aufnahme ähnelt mehr den Aufnahmen auf Lynne Hillenbrands Webseite.

Das obige Bild ist ein Ausschnitt in doppelter Vergrößerung. Beim Klick ins Bild oder hier, erscheint das gesamte Bildfeld in der originalen Auflösung.

Datum: 22.09.20, 01:44h MESZ

Optik: f=750mm f/5,4

Nachführung: TVGuider mit Watec 120N an 90mm f/5,6

Gesamtbelichtungszeit: 130 min (Einzelbilder: 600 Sekunden)

Kamera: Atik 460EX

 

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Die nebenstehende Collage zeigt meine Aufnahme im Vergleich zum POSS 2 und PANSTARRS in verschiedenen Filterkombinationen. Die Filter i und z sind infrarote Filter, wobei der Filter i eine mittlere Wellenlänge von 752 nm und eine Halbwertsbreite von 5,8 nm und der Filter z eine mittlere Wellenlänge von 866 nm und eine Halbwertsbreite von 8,3 nm besitzt. Der Filter z arbeitet in dem Wellenlängenbereich, in dem mein IR-Filter durchlässig und die Empfindlichkeit der Kamera noch hoch ist. Interessanterweise sind die Nebel nur im i-Filter rot sichtbar, aber nicht im z-Filter und auch nicht im langwelligeren y-Filter oder kurzwelligeren r-Filter. Die Aufnahmen für die Durchmusterung entstanden in den Jahren 2010-2015. Offenbar wurde die Aufnahme durch den i-Filter später als die durch die r-, z- und y-Filter gemacht. Leider habe ich auf der Webseite des PANSTARRS-Projekts keine Angaben gefunden, wann die einzelnen Aufnahmen belichtet wurden. Alternativ käme nur in Frage, dass es sich bei dem Nebel um einen Emissionsnebel handelt, dessen Emissionslinie im Filterbereich des i-Filters bei 752 nm liegt. In diesem Fall hätte ich mit meinem Filter, der erst ab 807 nm durchlässig ist, nichts abbilden können, und die Sternfreunde Ostwestfalen-Lippe, die maximal mit einem Rot- und Luminanzfilter gearbeitet haben, hätten ihn auch nicht mehr abbilden können. Da ich aber die Nebel auf meiner Aufnahme eindeutig erwischt habe und die Sternfreunde sogar im Visuellen, kann es sich nicht um einen Emissionsnebel handeln. Es ist also ein Reflexionsnebel, der im Infraroten und offenbar sogar noch bis in den Visuellen Spektralbereich sichtbar ist.

In meinem Bild ist als Aufnahmetag der 21.09.2020 angegeben, obwohl das Bild am 22.09.2020 ab 01:44h belichtet wurde. Die Differenz erklärt sich aus der Differenz zwischen UT (Universal Time) und MESZ (MittelEuropäische SommerZeit) und beträgt 2 Stunden. D.h. Erst ab 02:00h MESZ springt UT auch auf den Folgetag. Während der Winterzeit beträgt die Differenz nur eine Stunde und ist mit der GMT (Greenwich Mean Time) identisch. Ich habe in meinem Bild das Datum gemäß den Gepflogenheiten der Astronomen in UT angegeben.

 

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